AMICA in der Ukraine

Der Krieg in der Ukraine eskaliert dramatisch. In der Nacht vom 23. auf den 24. Februar 2022 hat russisches Militär die Ukraine angegriffen. Unsere Partner­orga­nisation ist mehr denn je im Einsatz und tut alles, um die Menschen vor Ort zu unterstützen und in Sicherheit zu bringen (» Hier erfahren Sie mehr zur aktuellen Nothilfe). Der Konflikt ist aber nicht neu: Seit 2014 leben die Menschen im Osten der Ukraine im Krieg. Gemeinsam mit unserer Partner­orga­nisation bieten wir seit 2018 Frauen, die unter den Folgen traumatischer Gewalt­erfahrungen leiden, psycho­soziale Beratung und Schutzräume an. Erfahren Sie hier mehr über unser Projekt.

[Disclaimer: Der folgende Text wurde vor dem russichen Angriff vom 23. Februar 2022 verfasst]

Konflikt in der Ostukraine

Der Osten der Ukraine kommt nicht zur Ruhe: Heute, mehr als sechs Jahre nach der Unterzeichnung der beiden Minsker Abkommen flammen immer wieder Auseinandersetzungen und Kämpfe auf. In der sogenannten Pufferzone, sowie in den östlichen Regionen des Landes, wo die Konzentration an Binnenvertriebenen am höchsten ist, sind Frauen und Mädchen besonders schwer durch den andauernden Konflikt betroffen. Das Risiko Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden, steigt hier entlang der „Kontaktlinie“ der kämpfenden Parteien enorm: Jede dritte Frau in der Ukraine hat körperliche oder sexualisierte Gewalt erlebt und drei von vier Ukrainerinnen haben seit ihrem 15. Lebensjahr irgendeine Form von Gewalt erfahren. (1)

» Unser Projekt

Wir unterstützen kriegstraumatisierte und gewaltbetroffene Frauen

Von einem „gefrorenem Konflikt“, wie die Auseinandersetzungen in der Ukraine in den Medien oft bezeichnet werden, kann kaum die Rede sein. Allein in den ersten vier Monaten des Jahres 2021 wurden 50 Menschen getötet. Es mangelt an allem, der Zugang zu lebenswichtigen Informationen und Dienstleistungen ist stark eingeschränkt. Gewalt, darunter insbesondere häusliche Gewalt, nimmt in dieser aufgeladenen Umgebung zu. Betroffene haben kaum Möglichkeiten, geeignete Unterstützung aufzusuchen. Zu gering ist das Wissen über verfügbare Angebote, zu groß die Furcht vor einer Stigmatisierung und zu klein das Vertrauen in staatliche Einrichtungen.

In der Ukraine ist es nicht üblich, über persönliche Probleme zu reden, psychologische Hilfe wird mit großem Misstrauen betrachtet. Gerade diese Form der Unterstützung ist jedoch dringend notwendig. Bleibt die erlittene Traumatisierung der Überlebenden unbearbeitet, so hat das nachweislich gravierende Langzeitfolgen. Damit eine Gesellschaft den langwierigen Wiederaufbau- und Versöhnungsprozess, der einem Konflikt folgt, bestreiten kann, damit Überlebende eines Kriegs wieder selbständig ihr Leben bestreiten können, müssen die Erfahrungen der Vergangenheit aufgearbeitet werden.

Was wir tun

In Zusammenarbeit mit unserer Partnerorganisation in Mariupol entlasten wir Frauen und Mädchen mit einem Angebot zur Weiterbildung, um sie bei der Generierung ihres Lebensunterhalts zu unterstützen, und durch den Abbau des existierenden Stigmas um psychologische Hilfe.

Durch eine Kombination aus psychosozialen Beratungsangeboten, medizinischen Hilfsleistungen, Rechtsberatung sowie Therapie werden Frauen und Mädchen in der Pufferzone durch mobile Teams dabei unterstützt, sich über ihre Probleme auszusprechen, traumatische Erfahrungen zu verarbeiten, Strukturen zur Selbsthilfe aufzubauen und hoffnungsvoller in die Zukunft zu blicken. | Foto: Mobiles Team im Einsatz ©AMICA

Auch Institutionen und Behörden nehmen wir im Rahmen des Projekts in den Blick: Expert*innen schulen beispielsweise die Polizei zu den Bedürfnissen von und zu dem Umgang mit Überlebenden von Gewalt. Unsere Projektpartnerin in Mariupol leitet zudem Teilnehmerinnen dazu an, eigene Gesprächsgruppen und Vereine zu bilden. So wird die Hilfe zur Selbsthilfe gefördert und ein größeres Netzwerk zur Stärkung der Frauen und Mädchen entsteht.


Die Spuren vom Krieg sind im Alltag überall sichtbar: Hier zeigen die Mitarbeiter*innen unserer Partnerorganisationen eine durch bewaffnete Auseinandersetzungen zerstörte Brücke.


Eine Frau empfängt Mitarbeiter*innen unserer Partnerorganisation vor ihrem Haus. Jeden Tag fährt ein mobiles Team in die sog. Pufferzone, um kriegstraumatisierte Frauen zu unterstützen.


Landminen und explosive Kriegsresten machen die Ost-Ukraine zu einem der weltweit gefährlichsten Gebiete. Die Ukraine gehört zu den 5 Ländern, die die meisten Minenopfer zählen.

Die Aktivitäten umfassen:

  • Psychosoziale, rechtliche und medizinische Einzelberatung
  • Kunsttherapie und gruppentherapeutische Angebote
  • Weiterbildungskurse (Nähkurs, Strick- und Häkelkurs, Kosmetik-Kurse, Wachtelhaltung, Business-Skills-Seminare)
  • Mentoring, Coaching & Weiterbildung für Fraueninitiativgruppen (Selbsthilfestrukturen aus den Orten der Pufferzone)
  • Erarbeitung des Ethik-Kodex für Polizeibeamt*innen zum Umgang mit Frauen, die sexuelle Gewalt erleb(t)en
  • Schulungen für Multiplikator*innen (u.a. Sozialarbeiter*innen, medizinisches Personal, Vertreter*innen der Gemeinden, Lehrer*innen, Schulpsycholog*innen sowie Polizei- und Streifenpolizeibeamter, die sowohl in Mariupol als auch in den Orten der Pufferzone im Einsatz sind) zu den Themen Gewalt gegen Frauen, Gewaltprävention, Unterstützung für Überlebende häuslicher und genderspezifischer Gewalt
  • Aufbau von Netzwerken (zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, Polizei & Streifenpolizei, Vertreter*innen lokaler, regionaler, staatlicher Behörden und Ministerien etc.) mit dem Ziel des Austauschs und der gemeinsamen Strategieentwicklung zur Förderung des Aufbaus von Unterstützungsstrukturen für Frauen und Mädchen
  • Aufklärungsarbeit zu Themen wie Frauenrechte, sowie geschlechtsbezogene und sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen
  • Lobby- und Advocacy- Arbeit zum Thema Gender und Gewalt
  • Trainings- und Weiterbildungsangebote für unsere Partnerinnen und Partnerorganisation: Teambuilding, Organisationsentwicklung, Workshop-Sessions, Supervision, individuelle Englischkurse und andere Trainings


Geschützter Raum für traumatisierte Frauen: Eine Sozialarbeiterin in einer Beratung.


Kunsttherapie in der Pufferzone: Projektreferentin Natalia Schaaf besucht eine Frauengruppe.


Eine Frau arbeitet mit einer Nähmaschine, die sie durch die Unterstützung AMICAs erhalten hat.

Was wir erreichen

Mit dem Aufbau von Safe Spaces und den Unterstützungsstrukturen in der Pufferzone stärken wir die von Krieg traumatisiert und Gewalt betroffenen Frauen und Mädchen in der Ukraine. Durch psychosoziale Begleitung und andere Beratungsangebote stellen wir mit unseren Partnerinnen das stark erschütterte Vertrauen vieler Frauen in das Hilfs- und Rechtssystem, in die Zukunft und in die eigenen Fähigkeiten wieder her.

  • Stärkung der politischen und gesellschaftlichen Teilhabe von den Frauen und Mädchen in der Ukraine, die durch den Krieg traumatisiert und von Gewalt betroffenen sind
  • Verbesserung des Schutzes vor geschlechterbasierter und sexualisierter Gewalt
  • Verringerung der geschlechterbasierten und sexualisierten Gewalt
  • Aufbau von „Safe spaces“ und nachhaltigen, ganzheitlichen Unterstützungsstrukturen in den Gemeinden der regierungskontrollierten Pufferzone
  • Ausbau der Kapazitäten der Zivilgesellschaft und Regierungsebene, was maßgeblich zur Schaffung und Wahrung eines stabilen Friedens führen soll.
  • Stärkung der lokalen Fraueninitiativgruppen, um die aufgebauten gemeindebasierten Unterstützungsstrukturen für betroffene Frauen und Mädchen auch über das Ende des Projekts aufrechtzuerhalten
  • Beitrag zur Gleichstellung von Frauen und zur friedlichen Transformation des Landes

Wir tragen dazu bei, dass Frauen und Mädchen in der Ukraine wieder Kraft schöpfen, mit Hoffnung in die Zukunft blicken und neue Perspektiven erschließen. Eine Teilnehmerin, die wir im Rahmen unserer Prüfmission zu ihren Wünschen und Bedürfnissen befragten, bringt es auf den Punkt: „Wir sollten uns wieder als menschliche Wesen fühlen können.


 

Das Projekt wird durch Spenden an AMICA e.V. ermöglicht und vom Aufwärtigen Amt und Entwicklung und von der Baden-Württemberg-Stiftung gefördert.

 

(1) Conflict-Related Sexual Violence in Ukraine: An Opportunity for Gender-Sensitive Policymaking?, Chatham House, 2020
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(2) Not a private matter: domestic and sexual violence against women in Eastern Ukraine, Amnesty International Ukraine, 2020

(3) OSCE-led Survey on Violence Against Women: Ukraine – Results Report, OSCE, 2019

(4) Analyse: Geschlechtsspezifische Gewalt im Kontext des Konflikts in der Ukraine, Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), 2019

(5) Ukraine Humanitarian Needs Overview 2021, UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA), 2021

"Ми потребуємо миру!"
"Wir brauchen Frieden!"

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