Prozess in Koblenz

Gerechtigkeit für syrische Betroffene in Deutschland: Sexualisierte Gewalt wird erstmals als Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt

" Die Veränderung der Anklage hat eine große Bedeutung, weit über diesen Prozess hinaus“, sagt Leonie Steinl, Expertin für internationales Strafrecht an der Berliner Humboldt-Universität, denn es wurde bisher „nicht gesehen, dass auch sexualisierte Gewalt systematisch angewendet wird, um die Bevölkerung zu terrorisieren“, so Steinl. | aus dem taz-Artikel "Verbrechen mit System", 24.03.2021

Im Prozess gegen Anwar R., einem der Verantwortlichen im syrischen Foltergefängnis Al Khatib („Al-Khatib-Verfahren“), wurde die Anklage überarbeitet: Dem Angeklagten wird nun im Verfahren vor dem Koblenzer Oberlandesgericht sexualisierte Gewalt als Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Sexualisierte Gewalt wird damit als systematisches Verbrechen gegen die syrische Zivilbevölkerung angeklagt. Die Vorwürfe der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung gegen den Angeklagten werden nicht mehr als bloße Einzeltaten gewertet. Das ist ein bemerkenswerter und wichtiger Schritt. Im Verfahren wird so erstmals die politische und systematische Dimension und funktionale Bedeutung dieser Gewalttaten im Syrienkonflikt benannt.

Vergewaltigungen und andere Formen sexualisierter Gewalt in Kriegen und bewaffneten Konflikten werden häufig als Nebeneffekt oder „Kollateralschaden“ des Krieges relativiert, als individuelles Fehlverhalten sexuell motivierter Triebtäter. Damit wird verkannt, dass sexualisierte Gewalt seit jeher strategisch als Kriegsmittel bewaffneter Gruppen gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird, um Einzelne und die gegnerische Gruppierungen systematisch zu entwürdigen, zu destabilisieren, zu demütigen und zu demoralisieren, d.h. auf jede mögliche Weise zu terrorisieren.

Nicht nur in Syrien ist sexualisierte geschlechtsspezifische Kriegsgewalt weit verbreitet. Es ist ein weltweites Tabuthema und Betroffene werden kaum gehört. Deshalb ist das Verfahren in Deutschland ist ein wichtiger erster Schritt, um Gerechtigkeit für die Betroffenen einzufordern.

 

AMICA – vom ersten Projekthaus in Bosnien zu den Geflüchteten-Camps im Libanon

Der Verein AMICA entstand 1993 als Reaktion auf die sexualisierte Kriegsgewalt im Bosnienkrieg. Schätzungen zufolge wurden zwischen 1992 und 1995 20.000 – 50.000 Frauen in Bosnien vergewaltigt und gefoltert. Freiburger Bürger*innen brachten Hilfsgüter nach Tuzla und eröffneten dort 1994 das erste Frauenschutzhaus von AMICA. Seitdem setzen wir uns für Frauen ein, die im Krieg leben oder vor dem Krieg fliehen mussten und von Gewalt bedroht sind – so wie tausende syrischen Frauen, die im Nachbarland Libanon Zuflucht gesucht haben und dort unter katastrophalen Bedingungen leben. Seit 2014 betreiben wir im Libanon mit unseren lokalen Partnerinnen eine Help-Hotline, ein Beratungszentrum und zahlreiche Aktivitäten in den Geflüchteten-Camps. (» mehr zu unserem Projekt mit syrischen Geflüchteten)

 

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